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Faktenblatt zur Auswirkung der Eutrophierung auf das Phytoplankton der zentralen Ostsee

In der zentralen Ostsee spielen am Boden verankerte Makroalgen wegen des Lichtmangels in großen Tiefen keine Rolle. Die hier dominierenden Pflanzen gehören zum Phytoplankton – es sind Mikroalgen, die meist im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser schweben.

Das Phytoplankton bildet die Nahrungsgrundlage für alle höheren trophischen Ebenen. In der Ostsee kommen über 800 verschiedene Arten dieser Pflanzengruppe vor. Als Maß für die Menge an Phytoplankton im Wasser wird üblicherweise die Chlorophyll a Konzentration im Wasser angegeben.

Seit 1979 werden vom IOW und seiner Vorgängereinrichtung im Rahmen des HELCOM-Monitoringprogramms in der offenen Ostsee (Arkonasee, Bornholmsee und Gotlandsee) und der flacheren westlichen Ostsee (Mecklenburger Bucht) die Chlorophyll a-Konzentrationen gemessen und das Artenspektrum des Phytoplanktons bestimmt.

Ergebnisse der Langzeituntersuchungen

Parallel zum Anstieg der Einträge von Nährsalzen in die Ostsee entwickelte sich auch das Phytoplankton-Wachstum: seit Beginn der Chlorophyll-Messungen (1979) bis in die Mitte der 90er Jahre ist in der eigentlichen Ostsee die Chlorophyll a Konzentration deutlich angestiegen, wuchs also sukzessive mehr Masse an Mikroalgen pro Jahr heran. Seitdem messen wir jedoch stagnierende oder sogar abnehmende Werte. Insgesamt ist das Phytoplankton-Aufkommen in der Ostsee jedoch immer noch auf einem sehr hohen Niveau.

Betrachtet man die jahreszeitliche Verteilung des Phytoplanktons, so zeigt sich, dass vor allem die Frühjahrsblüte auf die Zunahme an Nährstoffen in den 70er Jahren reagiert, während die Sommer- und Herbstblüten in ihren Ausmaßen mehr oder weniger stabil blieben.

Abweichungen von diesem Schema zeigen sich in der Mecklenburger Bucht: hier belegen die Daten des langjährigen Monitoring-Programms eine signifikante Abnahme der Frühjahrswerte. Die Menge an Mikroalgen, die während der Frühjahrsblüte entstehen, nahm hier seit Beginn der Messungen kontinuierlich ab.

Biodiversität

Unter den rund 800 Arten des Phytoplanktons in der Ostsee dominieren nach wie vor  Kieselalgen und Dinoflagellaten. Innerhalb der Gruppe der Kieselalgen gab es allerdings Veränderungen in ihrem zeitlichen Auftreten: so wurden Sommer/Herbstblüten der Kieselalgen-Arten Chaetoceros und Skeletonema im Laufe der letzten 30 Jahre sukzessive durch solche der Arten Cerataulina pelagica, Dactyliosolen fragilissimus, Proboscia alata, Pseudo-nitzschia spp. ersetzt.

Kieselalgen Skeletonema costatum
Dinoflagellaten Ceratium tripos + Prorocentrum micans
Kieselalgen Chaetoceros decipiens
Dinoflagellat Dinophysis norvegica

Abbildungen: Obere Reihe: Die Kieselalgen Skeletonema costatum (links) und Chaetoceros decipiens (rechts), Untere Reihe: Die Dinoflagellaten Ceratium tripos + Prorocentrum micans (beide im Bild links) und Dinophysis norvegica (rechts)

Zwischen den Jahren 1987 und 1989 wurde ein drastischer Rückgang der Kieselalgen-Frühjahrsblüten bei gleichzeitiger Zunahme der Frühjahrs-Dinoflagellaten in vielen Bereichen der Ostsee festgestellt. Dieser Wechsel wurde als Teil eines eher klimabedingten Regime Shifts diskutiert.

Seit dem Jahre 2000 wird in der eigentlichen Ostsee ein Wiedererstarken der Kieselalgen-Frühjahrsblüten beobachtet, die eher zu einem eintragsunabhängigen Oszillationmuster passen: Dinoflagellaten-Dominanz in den 1970er und 1990er Jahren, Kieselalgen-Dominanz in den 1980er und 2000er Jahren.

Ein weiterer Haupt-Bestandteil der Frühjahrsblüte in der eigentlichen Ostsee, der photoautotrophe Ciliat Mesodinium rubrum, scheint an Bedeutung zu gewinnen, insbesondere seit 1999.

Bedingt durch den intensiven Schiffsverkehr auf der Ostsee werden permanent nicht heimische Arten eingeschleppt. Im Phytoplankton wurde als bedeutendster Einwanderer Prorocentrum minimum identifiziert, der sich seit 1981 von Westen her stark ausbreitet und insbesondere in den 1990er Jahren starke Blüten bildete.

Die eingewanderte Art Prorocentrum minimum.

Abbildung: Die eingewanderte Art Prorocentrum minimum

Insgesamt gibt es bislang keine Belege dafür, dass die Eutrophierung der Ostsee im Beobachtungszeitraum das Artenspektrum im Phytoplankton beeinflusst hätte. Die beobachteten Veränderungen sind auf andere Faktoren, wie zum Beispiel die Einwanderung neuer Arten, zurückzuführen.

Weitere Informationen zu diesem Thema:

Dr. Norbert Wasmund,
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Tel.: 0381 5197 212
norbnullert.wasmund@io-warnemuende.de