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SECOS II: Die Leistung der Sedimente und der Küste in der deutschen Ostsee, Leitantrag; Vorhaben: Ökosystemleistung und Ostseeatlas

Die Ostsee unterliegt einem zunehmenden und komplexer werdenden Nutzungsdruck, der vielfältige Konflikte und Belastungen mit sich bringt. Gleichzeitig vollzieht sich durch den globalen Wandel eine Veränderung der sozio-ökonomischen Rahmenbedungen sowie der ökologischen Prozesse und Strukturen in der Ostsee. Vor diesem Hintergrund möchte die ambitionierte integrierte Meerespolitik der Europäischen Union einerseits das nachhaltige Wachstum in allen marinen und maritimen Wirtschaftszweigen unterstützen („Blaues Wachstum“) und anderseits den Schutz und den Erhalt der Ostsee und deren Ökosystemleistungen gewährleisten. Die bekannten Instrumente, wie die Wasserrahmenrichtlinie, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder die Empfehlungen für ein Integriertes Küstenzonenmanagement wurden hierfür durch neue Ansätze ergänzt. Die 2008 in Kraft getretene EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) verlangt von den Mitgliedstaaten, einen guten Umweltzustand ihre Meere bis 2020 sicherzustellen. Der HELCOM Ostsee-Aktionsplan soll wesentliche Aspekte der MSRL ostseeweit umsetzen und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt initiieren. 2014 wurde zudem ein gemeinsamer europäischer Rahmen für die maritime Raumordnung in Europa angenommen, mit der Aktivitäten und Investitionen koordiniert und Konflikte reduziert werden sollen.

Diese integrierte Meerespolitik stellt die, für die Umsetzung zuständigen, Bundes- und Landesämter sowie die Wissenschaft vor große inhaltliche Herausforderungen und erfordert eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis. Dieser Herausforderung stellt sich das Verbundprojekt SECOS. In Randmeeren, wie der Ostsee, spiegeln sich landseitige Einträge und Belastungen unmittelbar im Wasserkörper, längerfristig aber vor allem in den Sedimenten wider. Die Sedimente bilden räumlich hoch-variable Senken und zentrale Reaktoren für Stoffumsätze, steuern damit den Zustand der Ostsee und besitzen eine Schlüsselfunktion für Biodiversität. Die Rolle der Sedimente ist bisher nur ungenügend untersucht und quantitativ bewertet worden. In der ersten 3 jährigen Projektphase sind wesentliche Prozesse im Sediment und zwischen Sediment und Wasserkörper an repräsentativen Standorten untersucht, quantifiziert und monetär bewertet worden. Die Ergebnisse sind in die Verbesserung des Ostsee-Ökosystemmodells eingeflossen und haben zu einem besseren Verständnis des Gesamtsystems geführt sowie die prognostische Kapazität des Modells verbessert. Erste Ergebnisse wurden zudem räumlich extrapoliert und in Form von praxis-relevanten Karten in ein neues Geo-Informationssystem integriert.

Nachdem in der ersten Projektphase das Verständnis von Prozessen und die Verbesserung bzw. Entwicklung von Werkzeugen im Vordergrund stand, steht in SECOS II die Synthese, räumliche Extrapolation und Verallgemeinerung der Ergebnisse, die Fokussierung auf Indikatoren und Deskriptoren der MSRL, die Vervollständigung des Geo-Informationssystems (Ostseeatlas) hinsichtlich des Einsatzes im Rahmen der Meeresraumplanung und MRSL sowie der Einsatz des Ökosystemmodells im Rahmen von Zukunftsszenarien im Vordergrund. Um einen Zugriff zu erleichtern und die breite Nutzung sicherzustellen, wird der Ostseeatlas als WebGIS an das KÜNO-Internetportal und das MDI-DE Datenportal angebunden. Zudem wird sichergestellt, dass die Ergebnisse und Modellsimulationen durch Abstimmung mit dem Partnerprojekt BACOSA ein Gesamtbild der westlichen Ostsee bis zur Küstenlinie ergeben und dadurch mit landseitigen Ansätzen verknüpfbar sind.

Ein neuer Fokus in SECOSII liegt in der Integration von naturwissenschaftlichen und sozio-ökonomischen Ergebnissen im Rahmen eines allgemeingültigen Ökosystemleistungs-Bewertungswerkzeugs. Dazu wird in Kooperation mit dem Partnerprojekt BACOSA ein terrestrisches Bewertungswerkzeug auf Küsten und Meere angepasst und weiterentwickelt, Mit diesem Werkzeug kann eine umfassende, interdisziplinäre Gesamtbewertung der Ökosystemleistungen von Sedimenten, Wasserkörpern und Küsten und deren Veränderungen durch menschliche Aktivität und globalem Wandel erfolgen. Zusammen mit terrestrischen Ansätzen bildet es ein neues integriertes Land/Wasser System, welches die nationale Umsetzung der EU Biodiversitätsstrategie 2020 unterstützt.

Publikationen

  • Bicking, S., A. B. Almagro, A. de Jesus Vargas Soplin, J. Schumacher, M. Inácio, G. Schernewski and F. Müller (2023). Assessing Temporal Changes in Ecosystem Service Provisions: Conceiving Future Pathways. In: Southern Baltic Coastal Systems Analysis. Ed. by H. Schubert and F. Müller. Cham: Springer International Publishing (Ecological Studies, Analysis and Synthesis ; 246): 289-307, doi: 10.1007/978-3-031-13682-5_26
  • Schumacher, J., S. Bicking, K. Ahrendt, F. Müller and G. Schernewski (2023). Spatial Ecosystem Service Assessment Across the Land-Sea Interface. In: Southern Baltic Coastal Systems Analysis. Ed. by H. Schubert and F. Müller. Cham: Springer International Publishing (Ecological Studies, Analysis and Synthesis ; 246): 257-272, doi: 10.1007/978-3-031-13682-5_24
  • Gogina, M., J. R. Renz, S. Forster and M. L. Zettler (2022). Benthic macrofauna community bioirrigation potential (BIPc): Regional map and utility validation for the south-western Baltic Sea. Biology 11: 1085, doi: 10.3390/biology11071085
  • Schumacher, J., S. Lange, F. Müller and G. Schernewski (2021). Assessment of ecosystem services across the land-sea interface in Baltic case studies. Appl. Sci.-Basel 11: 11799, doi: 10.3390/app112411799
  • Gogina, M., M. L. Zettler, I. Wåhlström, H. Andersson, H. Radtke, I. Kuznetsov and B. R. MacKenzie (2020). A combination of species distribution and ocean-biogeochemical models suggests that climate change overrides eutrophication as the driver of future distributions of a key benthic crustacean in the estuarine ecosystem of the Baltic Sea. ICES J. Mar. Sci. 77: 2089-2105, doi: 10.1093/icesjms/fsaa107
  • Gogina, M., M. L. Zettler, J. Vanaverbeke, J. Dannheim, G. Van Hoey, N. Desroy, A. Wrede, H. Reiss, S. Degraer, V. Van Lancker, A. Foveau, U. Braeckman, D. Fiorentino, J. Holstein and S. N. R. Birchenough (2020). Interregional comparison of benthic ecosystem functioning: Community bioturbation potential in four regions along the NE Atlantic shelf. Ecol. Indic. 110: 105945, doi: 10.1016/j.ecolind.2019.105945
  • Kunz, F., A. Hiller and U. Bathmann (2019). Der Baltic Sea Atlas für ein ausgewogenes Management mariner Küstenökosysteme. Wasser u. Abfall 21: 20-25
  • Inácio, M., G. Schernewski, Y. Nazemtseva, E. Baltranaitė, R. Friedland and J. Benz (2018). Ecosystem services provision today and in the past: a comparative study in two Baltic lagoons. Ecol. Res. 33: 1255-1274, doi: 10.1007/s11284-018-1643-8
  • Thoms, F., C. Burmeister, J. W. Dippner, M. Gogina, U. Janas, H. Kendzierska, I. Liskow and M. Voss (2018). Impact of macrofaunal communities on the coastal filter function in the Bay of Gdansk, Baltic Sea. Front. Mar. Sci. 5: 201, doi: 10.3389/fmars.2018.00201
  • Zettler, M. L., R. Friedland, M. Gogina and A. Darr (2017). Variation in benthic long-term data of transitional waters: Is interpretation more than speculation? PLoS One 12: e0175746, doi: 10.1371/journal.pone.0175746