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Das Benguela-System im Klimawandel – Auswirkungen der Variabilität des physikalischen Antriebs auf den Kohlenstoff- und Sauerstoffhaushalt

27.01.2022 Schwefelwasserstoff – stickende Giftwolke und doch gleichzeig wichtige Energiequelle der hier lebenden Riesenbakterien

Nun sind wir endlich auf dem zweiten der vier Haupt-Transekte im Auftriebsgebiet angelangt. Dieser liegt bei ungefähr 25°S. Entgegen unserer Erwartungen sind die Sauerstoffbedingungen hier noch geringer als auf dem nördlich gelegeneren Transekt bei 23°S. Neben deutlichen Abnahmen des im Wasser gelösten Sauerstoffs in Richtung Meeresboden, konnten wir außerdem eine deutliche Anreicherung des Wassers mit dem toxischen Gas Schwefelwasserstoff feststellen. Schwefelwasserstoff wird im Zuge bakterieller Abbauprozesse von organischem Material, vorzugsweise im Sediment und unter sauerstofffreien Bedingungen, produziert und von den bakteriellen Zellen ins Umgebungswasser abgegeben. Viele von uns erinnern sich vielleicht an schlammiges nach fauligen Eiern riechendes Sediment am Boden eines Sees. Dieser Geruch ist typisch für das Vorkommen des giftiges Gases Schwefelwasserstoff, H2S. Noch eine äußerst interessante nicht-marine Nebeninformation: Schwefelwasserstoff wird mitunter auch in unseren Mägen in Folge von Gärungsprozessen produziert und zeigt sich durch übelriechenden Flatus oder, neben anderen flüchtigen schwefelhaltigen Verbindungen, als Mundgeruch.

Die Giftwirkung von Schwefelwasserstoff beruht auf der Veränderung der Sauerstoff-Bindeeigenschaften des Blutfarbstoffes Hämoglobin, welcher den von uns eingeatmeten Sauerstoff in unsere Zellen transportiert. Bisher ist der genaue Mechanismus der Giftwirkung unklar. Vermutet wird aber, dass Schwefelwasserstoff die Bindeeigenschaften des Hämoglobins für Sauerstoff verringert und es darauffolgend zur Lähmung der intrazellulären Atmung, also der für uns lebensnotwendigen Umsetzung des Sauerstoffs zu Wasser in unseren Zellen kommt; mit dem Tod zur Folge bei Einatmung hoher Konzentrationen von Schwefelwasserstoff oder geringer Mengen über längere Zeit.

Das Sediment auf dem sogenannten Schlammgürtel im Benguela Auftriebsgebiet ist sehr reich an organischem Material und verzeichnet dementsprechend hohe mikrobielle Abbauprozesse. Hier wird jede Menge Schwefelwasserstoff im Sediment gebildet. Zu welchem Ausmaß der gebildete Schwefelwasserstoff jedoch in die Wassersäule gelangt, wird durch die Aktivität großer Schwefelbakterien beeinflusst. Diese besiedeln die Sedimentoberflächen entlang des Schlammgürtels und wandeln das schädliche Gas Schwefelwasserstoff im Zuge der Energiegewinnung in anderweitige, nicht-toxische Schwefelverbindungen um. Die wohl bekanntesten Vertreter unter diesen Riesenbakterien zählt die Gattung Beggiatoa, welche man in vielen unterschiedlichen Gewässern finden kann: in Seen, Bächen oder eben dem Meer wie hier im Auftriebsgebiet vor Namibia. Daneben gibt es hier noch einen besonders großen Vertreter, die Gattung Thiomargarita, insbesondere die Art Thiomargarita namibiensis, welche 1999 erstmals durch Prof. Dr. Heide Schulz-Vogt beschrieben wurde. Typisch für diese Bakterien ist der Zusammenschluss einzelner Zellen zu langen Filamenten, ähnlich den bekannte Cyanobakterien oder auch Blaualgen genannt. Man kann sie bereits mit bloßem Auge als kleine weiße Fädchen auf dem Sediment erkennen. Durchs Binokular (Steriomikroskop) betrachtet sehen sie aus wie kleine Perlenketten, welcher entweder durchsichtig oder weislich. Thiomargarita Arten haben einen unglaublich flexiblen Metabolismus, sowie eine außerordentlich spannende und komplexe, für Bakterien eher unübliche, Zellstruktur. Forscher vermuten sogar, dass sie der die Gattung Thiomargarita der Übergang zwischen den sogenannten prokaryotischen (z.B. Bakterien, Archaeen etc.) und eukaryotischen (z.B. Hefen, sowie alle multizellulären Lebewesen, z.B. Pilze, wir Menschen) Zellstrukturen darstellt und unser bisheriges Verständnis von Pro- und Eukaryoten revolutionieren könnte.

Vertreter der Gattung Thiomargarita, sowie die anderen hier vorkommende Riesen-Schwefelbakterien, nutzen Schwefelwasserstoff als Energiequelle und wandeln diesen dabei in unschädliche Schwefelverbindungen oder auch elementaren Schwefel um, wobei letztere oft als sogenanntes Zwischenprodukt intrazellulär in Form kleiner Schwefelkugeln gespeichert wird und den bakteriellen Zellen so die typisch weise Färbung verleiht. Manche von ihnen bilden dicke weiße Matten an der Sedimentoberfläche und wirken wie Schwefelwasserstoff-Filter am Übergang von Sediment und Wassersäule. Wieviel des toxischen Schwefelwasserstoffes nun aus dem Sediment über den Bakterienfiltern in die Wassersäule gelangt, hängt neben der Aktivität der Zellen von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Einer davon ist der Sauerstoff selbst, welcher bei der Umwandlung (chemisch oxidiert) des Schwefelwasserstoffs verwendet (chemisch reduziert) wird. Ist kein Sauerstoff mehr vorhanden können viele Vertreter außerdem auf andere Stoffe wie beispielsweise die Stickstoffverbindungen Nitrat und Nitrit zurückgreifen. Auf welchem metabolischen Weg jedoch der Stickstoff gekoppelt mit der Umwandlung von Schwefelwasserstoff verwendet wird und wie dies die Kapazität der Bakterien Schwefelwasserstoff zu oxidieren beeinflusst ist bis heute nur geringfügig verstanden. Dies zu untersuchen und besser zu verstehen ist Teil der Forschung von Dr. Jenny Fabian, Postdoktorandin der Arbeitsgruppe Geomikrobiologie, geleitet von Prof. Dr. Heide Schulz-Vogt. Zusammen untersuchen die beiden welche unterschiedlichen Arten hier im Auftriebsgebiet vorkommen und wie dies mit den jeweiligen Umgebungsbedingungen variiert. Außerdem finden an Bord Inkubationen einzelner Thiomargarita-Zellen statt um dessen Zellstoffwechsel, insbesondere der Kopplung ihres Schwefel- und Stickstoff-Stoffwechsels, zu ergründen.

 

Text: Fabian J., Braun P. (beide IOW)

Expedition: MSM105
Mission: BUSUC 2
Start: 11.01.2022 - Walvis Bay
Ziel: 23.02.2022 - Mindelo

 

FS Maria S. Merian: Aktuelle Position
 

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