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FS Merian - MSM18-4

3. Wochenbericht (01.08.-06.08.2011)

FS Maria S. Merian, 10° S, 11° O

Im Angolastrom - Fischlarven und Benthos

Maria S. Merian hat fünf Schnitte entlang der Angolanischen Küste zwischen Namibe und Luanda beprobt. Bei ruhigem, windstillem und dunstigem Wetter war Angolas Steilküste nur selten deutlich zu erkennen. Kleine Fischerboote mit wenig Freibord, die nachts auch gerne mal unbeleuchtet unterwegs waren, erforderten bei den küstennahen Stationen viel Aufmerksamkeit. Am 3. August erreichten wir die Außenreede von Luanda. Die Skyline der 5 – Millionenmetropole, die genaue Bevölkerungszahl ist unbekannt, blieb weitgehend im Dunst ver-borgen. Hier war ein Rendezvous mit einem Tankschiff vorgesehen, um unseren zur Neige gehenden Dieselvorrat aufzufüllen. Außerdem wurden Kollegen des Fischereiinstituts in Luanda, Instituto Nacional de Investigação Pesqueira (INIP), als Gäste an Bord erwartet. In der Tat konnten wir den Direktor Dr. Antonio da Silva sowie Filomena Vaz Velho auf Merian begrüßen, die damit gleichzeitig auch ihren an der Reise beteiligten Kolleginnen einen Besuch abstatten. Sie brachten die von der Deutschen Botschaft in Luanda beschafften Mittel zur Malariaprophylaxe mit, die wegen der weiteren geplanten küstennahen Stationsarbeiten zusätzlich benötigt werden. Die Kooperation mit angolanischen Kollegen ist ein wesentlicher Aspekt der Reise. Sie beteiligen sich nicht nur an der Probennahme, sondern sollen auch bei der Auswertung der Proben in Warnemünde und Bremen mitmachen.
Nach dem spannenden Ereignis des Bunkerns auf See setzt Maria S. Merian die Reise nach Südwesten in Richtung des Angola-Doms fort.

Die an der Küste bearbeiteten Stationen liegen im Bereich des Angolastroms, der sich ausgehend vom Bereich der Äquatorialströme polwärts bis in das Benguela-Auftriebsgebiet erstreckt. Der Angolastrom ist allerdings kein durchgehendes Stromband sondern ein zeitlich und räumlich variables Stromsystem, des Mittelwert zwar südwärts gerichtet ist, das jedoch deutlich küstensenkrechte Komponenten ausweist. Die Isopyknen der küstensenkrechten Schnitte zeigen Anzeichen einer regen Kelvinwellendynamik. Entsprechend variabel ist auch die Phytoplanktongemeinschaft, in der sich durch Diatomeen dominierte Gebiete mit durch Dinoflagellaten dominierten Gebieten abwechseln.

Probenahme mit dem Backengreifer
Probenahme mit dem Backengreifer

Mit dem Erreichen des ersten küstennahen Transekts vor dem südangolanischen Namibe konnten auch die wissenschaftlichen „Exoten“ der aktuellen Forschungsfahrt ihre Arbeit aufnehmen. Während die anderen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen an Bord Fragestellungen zu Prozessen und Lebensgemeinschaften der Wassersäule bearbeiten, steht bei den Benthologen die Besiedlung des Meeresbodens im Mittelpunkt.

Angereist sind die Wissenschaftler vom IOW und vom Fischereiinstitut Luanda mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Fragestellungen. Ganz basal ist dabei die Fortführung der Inventarisierung der auf und im Boden lebenden Wirbellosen vor der Küste Angolas. Auf vergangenen Reisen (2004, 2008) wurden hier zahlreiche Arten angetroffen, die bis dato noch nicht wissenschaftlich beschrieben wurden. Auch auf dieser Reise könnten wieder neue Arten „entdeckt“ werden. Von ausgewählten Gruppen, beispielsweise den Schlangensternen, wurden einzelne Exemplare separat von den eigentlichen Proben in Alkohol fixiert und aufbewahrt, um für die späteren taxonomischen Arbeiten nicht nur morphologische, sondern auch genetische Merkmale zur Artunterscheidung identifizieren zu können. Weitere Fragestellungen beschäftigen sich mit den taxonomischen und funktionellen Veränderungen der Wirbellosen- Gemeinschaft sowohl hinsichtlich der zoogeographischen Herkunft (Vermischung tropischer und südatlantischer Arten) als auch in Abhängigkeit von wesentlichen abiotischen Parametern wie Substratzusammensetzung und Sauerstoffgehalt.

Bislang konnten bislang konnten neun Stationen zwischen Namibe und Luanda untersucht werden. Zum Einsatz kam ein kleiner Backengreifer mit einer Beprobungsfläche von 0,1 m2, der vor allem zur quantitativen Erfassung der im Sediment lebenden Tiere dient und eine Dredge, mit der die meist größeren, auf dem Boden lebenden Arten qualitativ aufgenommen werden. Zusätzlich wurden an jeder Station die benötigten abiotischen Begleitparameter erfasst. Wesentliche Wasserwerte lieferte die CTD, zur Charakterisierung des Sediments wurden separate Proben genommen.

Die bislang untersuchten Stationen spiegeln das gesamte Spektrum des Weichbodens von groben Sanden und Kiesen bis hin zu weichen organischen Schlicken und festen, schluffigen, tonhaltigen Sedimenten wieder. Arten- und Formenvielfalt der Wirbellosen-Gemeinschaft war an vielen Stellen beeindruckend. Lediglich an den küstennahen Stationen vor den Metropolen Luanda und Lobito war der anthropogene Einfluss offensichtlich. Deutlich weniger Arten besiedeln hier in geringer Dichte den Meeresboden. Grundsätzlich unterschieden sich die Gemeinschaften zwischen allen Stationen auf den ersten Blick erheblich. Welche der Umweltparameter diese Unterschiede zwischen den Gemeinschaften bewirken, ob es der Einfluss unterschiedlicher Wassermassen, der verschiedenen Substrate oder ein Zusammenspiel mehrerer Parameter ist, werden wir erst später erfahren, wenn die Auswertung der Proben im heimischen Labor erfolgt ist.

Anfangs von Vielen ob der etwas grobschlächtigen wirkenden Methodik und des nach den Probenahmen an Deck omnipräsenten Schlicks etwas belächelt, wurden die Benthosuntersuchungen für viele Kollegen zu einer willkommenen Abwechslung vom Bordalltag und das kleine Aquarium im Arbeitshangar mit ständig wechselnden „Ausstellungsstücken“ wurde eine beliebte Pilgerstätte.

Faszination Makrozoobenthos: Die Formen- und Artenvielfalt der Mollusken (eine gehäuselose Schnecke der Gattung Pleurobranchaea, links), Stachelhäuter (ein Schlangenstern, Mitte), Krebstiere (Krabbe aus der Familie Grapsidae, rechts) und der anderen bodenlebenden Bewohner vor der Küste Angolas ist beeindruckend. Foto: A. Darr

Die küstennahen Stationen standen auch im Fokus der Untersuchungen zum Ichthyoplankton, den Eiern und Larven der Fische. Mit der jahreszeitlichen Lageveränderung der Angola-Benguela-Front verschieben sich auch die Verbreitungsgebiete vieler Arten im freien Wasser. Arten aus dem nördlichen Benguelastrom, die hauptsächlich vor Namibia vorkommen, folgen der im Südwinter nach Norden wandernden Angola-Benguela-Front, im Südsommer dringen tropische Arten mit dem warmen Angolastrom weiter nach Süden vor. Die auf dieser Reise durchgeführten Arbeiten sollen zum Verständnis dieser Verschiebungen in der Verbreitung einiger Schlüsselarten dienen. Diese Fahrt knüpft an Vorarbeiten während früherer Fahrten (2002 - 2011) vor dem nördlichen Namibia und dem südlichen Angola an und dient der Aus-weitung des Untersuchungsgebietes nach Norden bis Luanda. Das Stationsnetz lehnt sich an das der angolanischen Partner an, die eine Reihe von küstennormalen Transekten zur Beo-bachtung von Hydrographie und Plankton angelegt haben. Das Standardgerät für diese Arbei-ten ist ein geschlepptes Multinetz mit 5 Netzen, die zwischen 0 und maximal 200m Tiefe 5 verschiedene Tiefenstufen beproben können.

Auf den südlichen der bisher untersuchten Stationen haben wir nur sehr wenige Fischlarven gefangen. Erst auf Höhe Lobito wurden die Fänge reichhaltiger. Hier wurden auf der küsten-nahen Station sehr viele Fischeier gefangen (sehr wahrscheinlich Sardinella), ein Hinweis auf die aktuelle Laichzeit dieser Art. Auf den nördlichen Transekten war die Ausbeute dann für-verschiedenen tropischen Arten sehr gut. Die genaue Auszählung der Proben erfolgt dann im Labor.

Aussetzen des Tucker-Trawls
Aussetzen des Tucker-Trawls

Ein weiterer Aspekt der Arbeiten ist der Vergleich der physiologischen Leistung von Arten bzw. Schwesterarten aus dem nördlichen Benguelasystem und dem Angolastrom. Speziell die im Rahmen des GENUS-Projekts durchgeführten Expeditionen (2008-2011) bilden die Grundlage für die physiologischen und trophischen Untersuchungen. Sauerstoffverbrauch und Wachstum werden an einzelnen Schlüsselarten gemessen. Dazu werden Organismen mit einem Tucker Trawl schonend gefangen und in temperierten Aquarien über längere Zeit gehältert. Ein eigens aus Bremen mitgenommener Laborcontainer bietet die notwendigen konstanten Bedingungen für die Experimente zu Sauerstoffverbrauch und –toleranz. Für spätere Wachstumsuntersuchungen werden die Fischlarven in den Otolithen chemisch markiert, um die Alterszählungen später zu validieren.

Dr. Alexander Darr, Werner Ekau und Dr. Martin Schmidt