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Expeditionsbericht #01, MSM 16/1

Leinen los – endlich!

Der erste Tag auf See ist immer etwas Besonderes. Er ist nicht nur Anfang einer Expedition – sondern auch Ende einer langen Vorbereitungszeit. Wenn es endlich heißt „Leinen los“, ist das der Abschluss einer ganzen Arie von Arbeiten, die mit Ablegen des Schiffes endlich abgeschlossen sind. Vor etwa 2 Jahren wurde ein Fahrtantrag geschrieben und begutachtet. Mehrere wissenschaftliche Planungstreffen wurden abgehalten, um die optimale wissenschaftliche Besatzung zusammenzustellen und festzulegen, wie viele der 23 Plätze den einzelnen Arbeitsgruppen überlassen werden können. Vor etwas mehr als einem halben Jahr galt es dann, die Forschungsgenehmigungen bei nicht weniger als sieben! Ostseeanrainerstaaten einzuholen. Hierzu musste man schon recht genau wissen, wo und mit welchem Gerät geforscht werden soll.

Jede Menge wissenschaftliche AusrüstungZwei Monate vor Fahrtbeginn bekommt das Schiff einen Containerstellplan sowie eine genaue Anforderungsliste um sicherzustellen, dass die an Bord benötigten wissenschaftlichen Geräte, Kräne, und Winden funktionsfähig sind, und eventuell erforderliche Umbauten und Anpassungen vorgesehen sind. Selbst der Koch muss informiert sein bezüglich vorhandener Allergien und der Anzahl der an Bord kommenden Vegetarier oder Veganer. Daneben eben Angaben über alles, was an Bord soll, allen voran Chemikalien und anderes Gefahrgut.

Zwei Wochen vor Fahrtbeginn schließlich muss klar sein, wer genau wie und wann an Bord kommt, Passnummern, Flugnummern und eine Packliste für die an Bord gebrachte wissenschaftliche Ausrüstung. In unserem Fall sind das drei Container mit wissenschaftlichem Gerät und Laborausstattung.

Und ja – das alles hat sich sich auch nicht von alleine gepackt. Und einiges, was da eingepackt ist, wurde erst für diese Fahrt entwickelt und gebaut.

FS Maria S. Merian an der PierWenn schließlich alles an Bord ist, während das Schiff noch sicher an der Pier liegt und man als Fahrtleiter das erste Mal alle Fahrtteilnehmer der Expedition auf dem Schiff gesichtet hat, dann tritt ein kurzer Moment der Entspannung ein – jedenfalls wenn wie in unserem Falle kein Container an irgendeiner Grenze hängenbleibt, kein Wissenschaftler vermisst und kein Koffer auf der Strecke geblieben ist (eine immer wieder auftretende Misere, sehr unangenehm vor einer 3,5-wöchigen Ausfahrt).

Gruppenbild der wissenschaftlichen Besatzung der Expedition MSM 16/1aWas nun geschieht, ist jedes Mal wieder ein kleines Wunder. Binnen 24 Stunden sind die Container leer, viele der Kisten ebenso, dafür sehen noch vor kurzer Zeit leere Räume nunmehr nach vollständig eingerichteten Laboren aus – und sie sehen nicht nur so aus. Noch vor Auslaufen kann man die ersten Standardmessungen verfolgen, und das an analytischen Geräten, die nicht nur fertig aufgebaut, sondern auch schon seefest verzurrt sind.

Leinen losAls es am 31. Juli dann endlich heißt „Leinen los“ sind wir bereit. Das ist auch besser so, denn unser erstes Arbeitsgebiet ist nur 2 h entfernt – die Mecklenburger Bucht.

Doch dann kommt alles anders. Pünktlich zum Auslaufen erreicht uns ein „Hilferuf“ des Forschungsschiffes Alkor. Nordwestlich von Fehmarn – ebenfalls kaum 2 Fahrtstunden von Warnemünde entfernt, hat das Schiff einen wissenschaftlichen Tauchroboter verloren, weil das Kabel in der Schiffsschraube abgerissen wurde. Der Tauchroboter ist etwa 1,2 m lang und einen knappen Meter hoch, und müsste mit dem Flachwasserfächerecholot der Maria S. Merian auszumachen sein. Alkor vor FehmarnMehr zu der einzigartigen Ausstattung „unseres“ Schiffes gibt es noch später. So ist es jedenfalls Pflicht, die Ortung des Gerätes am Meeresboden zumindest einmal zu versuchen. Während unser Spezialist für Fächerecholote, Jens Schneider von Deimling die Zeit der Anfahrt nutzt, um die geeigneten abzufahrenden Linien zu berechnen, verharrt FS Alkor vor der Küste Fehmarns und wartet auf uns.

ROV-SucheDoch nach kurzer Zeit wird klar, dass das Unterfangen nicht gelingen kann. Wir lagen zwar richtig mit der Berechnung, dass wir Objekte dieser Größe am Meeresboden ausmachen können, doch ist dieser Teil des Meeresbodens übersät mit Gesteinsbrocken ähnlicher Größe, geschuldet der Nähe zur Küste oder den von den Gletschern der letzten Eiszeit zurückgelassen Gesteinsmassen (geol: Geschiebemergel).

Trotz der Begeisterung von den technischen Möglichkeiten unserer schwimmenden Heimat bleibt der fade Beigeschmack, unseren Kollegen auf FS Alkor nicht helfen zu können.

So wünschen wir FS Alkor viel Glück bei der Bergung und begeben uns mit etwa 4h Verspätung in Richtung unseres ersten wissenschaftlichen Arbeitsgebiets. Und was wir da machen, und wie, und warum – davon später mehr…..

Prof. Dr. Gregor Rehder, August 2010