Expeditionsbericht #06, MSM 16/1
Wie arbeiten wir hier eigentlich?
Im dritten Bericht von See hatten wir erklärt, was die Fragestellungen der Projekte HYPER, INFLOW und BALTIC GAS sind und warum für uns die Verteilung von Methan in den jungen Sedimenten der Ostsee und die Gasflüsse aus dem Sediment ins Wasser und weiter die Atmosphäre so von Interesse sind. Wie angekündigt hier nun also eine Beschreibung, wie wir hier eigentlich arbeiten.
Grundlage für die bestmögliche und repräsentative Beprobung des Meeresbodens ist zunächst, alle vorhanden Daten und Informationen zusammenzutragen, wie etwa geologische Karten der Sedimenteigenschaften, die bestmögliche Daten der Wassertiefen, und bereits aufgenommene und verfügbare akustische Untersuchungen des Meeresbodens.
Darauf aufbauend haben wir dann hier an Bord eine Vielzahl akustischer Methoden in Gebieten eingesetzt, in denen große Mengen organischen Materials abgelagert sind, also eben die abgestorbenen Biomasse, aus der Methan durch Mikroorganismen gebildet werden kann. Allen akustischen Methoden hier ist gemeinsam, dass man Schallwellen in Richtung Meeresboden schickt und aus dem zurückgeworfenen Signal Informationen über die Beschaffenheit der Meeresbodenoberfläche oder bis viele Meter in den Meeresboden hinein erhält. Das einfachste System dieser Art, das wohl auch die meisten kennen, ist ein einfaches Echolot, das eigentlich jedes Schiff hat die Wassertiefe anzeigt. Für uns ist dieses nicht wissenschaftliche Gerät eher störend. Je nach Art und Frequenzbreite der eingesetzten akustischen Systeme gibt es ganz unterschiedliche Informationen zu gewinnen.
Mit dem auf Maria S. Merian installierten Flachwasserfächerecholot haben wir an einigen Stellen sehr hochaufgelöst die Konturen des Meeresbodens kartiert. Solche Fächerecholote tasten mit einer Vielzahl von einzelnen Echoloten einen ganzen Fächer senkrecht zur Fahrtrichtung ab, und ermöglichen so eine flächendeckende Abbildung des Meeresbodens. Die Breite des Streifens hängt dabei von der Wassertiefe ab. Hiermit lassen sich zum Beispiel Krater am Meeresboden auffinden, sogenannte „Pockmarks“, die oftmals Anzeichen für Methaneruptionen am Meeresboden sind. FS Merian verfügt als einziges Deutsches Forschungsschiff über zwei festeingebaute Fächerechote, eins für geringe Wassertiefen und eins für die Tiefsee.
Daneben haben wir noch zwei wissenschaftliche Single-Beam-Echolote. Beide arbeiten auf einer Reihe verschiedener Frequenzen und können so unterschiedlich weit in den Meeresboden eindringen. Mit ihnen lässt sich das freie Gas im Meeresboden nachweisen, das wegen seiner starken Reflexion der Schallwellen dazu führt, dass darunter verborgene Strukturen nicht mehr zu sehen sind. Wo kein Gas ist, kann man mit den Systemen unter anderem nachweisen, wo und wie mächtig Ablagerungen der jüngeren Sedimente sind, in denen sich Methan bilden könnte, oder eben die „Geschichte“ der Ostsee besonders gut abzulesen ist.
Das Tiefwasserfächerecholot wird normalerweise in den Wassertiefen der Ostsee gar nicht verwendet, doch zeigt sich, dass man es, ganz wie die Einstrahl-Instrumente, dazu verwenden kann, einige Meter in den Meeresboden hineinzusehen, und damit zweidimensional die flachen Gasvorkommen zu kartieren.
Schließlich haben wir auch noch eine geschleppte Seismik an Bord. Hier wird durch Luft, die in einem Kompressor erzeugt und stoßweise abgegeben wird, eine niederfrequente Schallquelle erzeugt, und das zurückgeworfene Signal aus dem Untergrund durch lange geschleppte Aufnehmer registriert. Hiermit kann man durch alle Sedimentschichten hindurchsehen, und erhält auch noch Informationen über die Dicke einer Gasansammlung und den darunterliegenden Schichten.
Mit all diesen akustischen Information suchen wir uns dann geeignete Stellen für das Gewinnen von Sedimentkernen. Dabei braucht man für unterschiedliche Fragestellungen unterschiedliches Gerät. Rumohrlote und Frahmlote für die Gewinnung von Kernen von bis zu 1,5m Länge, an denen man die an der Oberfläche ablaufenden Prozesse gut untersuchen kann, etwa den Fluss von Methan aus dem Sediment oder den Verbrauch von Sauerstoff. Will man längere Sedimentkerne gewinnen, so greift man auf das Schwerelot zurück. Hier auf Maria S. Merian, das mit einem Kernabsatzgestell ausgestattet ist, kann man Kerne von bis zu 18 m Länge gewinnen, und in der Tat haben wir mit 16 m Länge auf dieser Fahrt den längsten Sedimentkern „gezogen“, der je am IOW gewonnen wurde.
Die Kerne werden dann in den Laboren aufgearbeitet, etwa um den Methangehalt der Sedimente zu bestimmen oder die Konzentrationen von Sulfid und Sulfat, die an der Umsetzung des Gases beteiligt sind. Die Beprobung zur Gewinnung des Porenwassers sieht recht klinisch aus muss teilweise bei Temperaturen von unter 2°C im Kühlraum erfolgen. Das Geochemielabor ist wegen der vielen gewonnenen Sedimente im Dauerbetrieb. An einigen der Proben werden auch die Methanbildungs- und Zehrungsraten gemessen. Dazu werden die für die Reaktionen jeweils notwendigen Ausgangsstoffe zugegeben, und zwar in Form radioaktiv markierter Substanzen. Nach einiger Zeit kann dann gemessen werden, wie viel radioaktives Methan gebildet oder aber radioaktives Sulfat verbraucht wurde. Aus dem letzeren kann man dann direkt die Methanzehrungsraten ermitteln. Diese Arbeiten erfolgen im eigens hierfür installierten Isotopencontainer, einem der am wenigsten besuchten „Labore“ des Schiffes. Die langen Sedimentkerne werden in 1m lange Stücke gesägt und halbiert. Dann erfolgt eine komplette Kernbeschreibung, ein hochauflösende Fotographie der Oberfläche und schließlich einige Instrumente, die mm-genau etwa die magnetischen Eigenschaften, die Scherfestigkeit, oder die Leitfähigkeit durch die Sedimente hindurch erfassen können (Kernlogger).
Das Wasser der Ostsee wird mit einem Kranzwasserschöpfer oder mit einer aus der Tiefe pumpenden CTD beprobt und auf Sauerstoff und Methangehalt untersucht, und schließlich wird mit einem System, das ganz kontinuierlich während der ganzen Fahrt die Methankonzentration des Oberflächenwassers bestimmt (Equilibrator) unter Zuhilfenahme von Wind- und Wetterdaten der Fluss des Treibhausgases in die Atmosphäre bestimmt.
Prof. Dr. Gregor Rehder, August 2010
Berichte von See
- Expeditionsbericht #01
- Expeditionsbericht #02
- Expeditionsbericht #03
- Expeditionsbericht #04
- Expeditionsbericht #05
- Expeditionsbericht #06
Wochenberichte
- Wochenbericht #1
8. August 2010
[pdf, 460kb] - Wochenbericht #2
15. August 2010
[pdf, 410kb] - Wochenbericht #3
22. August 2010
[pdf, 141kb]
Eckdaten
- Forschungsschiff:
FS "Maria S. Merian" - Start:
Rostock 31. 7. 2010 - Zwischenstop:
Visby / Gotland 8. 8.2010 - Fahrtende:
Emden 23. August 2010 - 23 Wissenschaftler:
MSM 16/1a
MSM 16/1b - Projekte: