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Biologische Zustandseinschätzung der Ostsee 2001

Die Artenzusammensetzung und Biomasse bzw. Abundanz des Phyto- und Zooplanktons sowie des Makrozoobenthos des Jahres 2001 von der westlichen Ostsee bis in die östliche Gotlandsee werden im Zusammenhang mit Satelliten- sowie schiffsgebundenen physiko-chemischen Daten vorgestellt und diskutiert. Dabei werden Vergleiche mit den Vorjahren gezogen, um eventuelle Trends abzuleiten. Zur Vervollständigung der saisonalen Angaben der Phytoplanktondynamik werden Daten von Sinkstoff-Fallen des Jahres 2000 aus dem Gotlandbecken herangezogen. Die Daten von den 5 regulären Monitoringfahrten werden durch Daten ergänzt, die von Projekt- und Praktikumsfahrten sowie von Proben gewonnen wurden, die uns vom National Environmental Research Institute Roskilde (Dänemark) und vom Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (LANU) zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch kommen wir auf bis zu 21 Probentermine pro Station.

In der Mecklenburger Bucht deutete sich der Beginn der Frühjahrsblüte schon in der 2. Februarhälfte an, aber in der Arkonasee, Bornholmsee und östlichen Gotlandseenoch nicht. In der Lübecker Bucht dürfte die Blüte schon Mitte März ihren Höhepunkt mit etwa 8 g m-3 erreicht haben, während in der zentralen Mecklenburger Bucht die Nährstoffe am 23.3.01 noch nicht aufgebraucht waren. Daher vermuten wir, dass die Spitze der Frühjahrsblüte dort wohl erst Ende März mit etwa 5 g m-3 erreicht sein könnte. Solch ein Biomassewert wurde in der zentralen Arkonasee am 2.4.01 real gemessen. Die Nährstoffe hatten in der Arkonasee erstaunlicherweise schneller abgenommen als in der zentralen Mecklenburger Bucht. Das wäre ein Anzeichen dafür, dass die frühere Beobachtung eines Fortschreitens der Blütezeitpunktes von West nach Ost nicht in jedem Jahr zutrifft. Offensichtlich muß man auch mit der Bedeutung des Einstroms von Wasser der Pommerschen Bucht für die Frühjahrsblüte rechnen . Der Zeitpunkt der Frühjahrsblüte dürfte in der Bornholmsee nicht wesentlich von dem der Arkonasee abweichen, denn auch hier ist Nitrat schon zum 1.4.01 verbraucht. In der östlichen Gotlandsee hatte sich Ende März erst eine geringe Biomasse entwickelt, so dass das Maximum der Frühjahrsblüte im Laufe des April zu erwarten ist. Die Station OB in der Pommerschen Bucht weicht als flußwasserbeeinflußte Küstenstation von den Stationen der offenen See deutlich ab. Hier wurde ein Biomassemaximum von über 7 g m-3 am 7.5.01 registriert. Im Gegensatz zur offenen Ostsee ist das Wachstum im Frühjahr durch Phosphor limitiert, im Sommer aber durch Stickstoff.

Die Frühjahrsblüte wurde im Jahre 2001 im allgemeinen von der Kieselalge Skeletonema costatum gebildet. In der Lübecker Bucht waren Chaetoceros sp., Thalassiosira nordenskioeldii und Rhizosolenia setigera die wichtigsten Frühjahrs-Kieselalgen. In der zentralen Mecklenburger Bucht (Stat. 012) folgte auf die Skeletonema-Blüte Dictyocha speculum, in der zentralen Arkonasee (Stat. 113) und der Pommerschen Bucht (Stat. OB) aber Mesodinium rubrum. Die in der späteren Phase der Frühjahrsblüte zu erwartenden Dinoflagellaten entwickelten sich in der Arkonasee, Bornholmsee und Pommerschen Bucht nur schwach. Insofern scheint die seit 1989 beobachtete Ausbreitung von Dinoflagellaten zurückgedrängt zu sein, wie auch schon im Jahre 2000 beobachtet. Lediglich in der östlichen Gotlandsee blieben die Dinoflagellaten (Peridiniella catenata) neben dem seit 1999 verstärkt auftretenden Ciliaten Mesodinium rubrum der wesentliche Bestandteil der Frühjahrsblüte. Die Silikatabnahme zeigt aber an, daß auch hier ein deutliches Kieselalgenwachstum stattgefunden haben muß, was in der Gotlandsee in der 90er Jahren kaum beobachtet worden ist.

Im August kam es in der Mecklenburger Bucht und der westlichen Arkonasee (Stat. 030) zu der erwarteten Blüte von Dactyliosolen fragilissimus, während eine Cyanobakterien-blüte in der Mecklenburger Bucht nicht auftrat. An Station 030 wurde eine Anreichung von Aphanizomenon sp. in 15 m Tiefe festgestellt. Oberflächenblüten wurden nur bei windstillem Wetter in der nördlichen Arkonasee und der Bornholmsee Ende Juli beobachtet. Aus Satellitendaten lässt sich aber schließen, dass der Höhepunkt der Blüte zum Zeitpunkt der Monitoringfahrt längst vorüber war. Die Cyanobakterienblüte begann bereits Anfang Juni (4.-8.6.2001) nordwestlich Gotland, und zwar entgegen vorheriger Annahmen bereits bei ca. 12 °C Wassertemperatur. Im Juni hatte sie sich über die Gotlandsee ausgebreitet, und es erschien Aphanizomenon sp. in größeren Mengen in den Wasserproben. Die maximale Ausdehnung erreichte die Blüte am 4. Juli, als sie sich vom Finnischen Meerbusen bis in die Arkonasee erstreckte . In Küstennähe sind sie meistens schwächer entwickelt. Ab 10. Juli breitete sich die Blüte weiter in die westliche Ostsee aus. Die Cyanobakterienblüten verschwanden im allgemeinen bereits ab Ende Juli.

Die Mecklenburger Bucht war von September bis November hauptsächlich durch Ceratium tripos und diverse Kieselalgen in stark schwankenden Abundanzen gekennzeichnet. Das häufige Vorkommen von Ceratium-Arten bis zur Station 030 spricht, wie schon die sommerlichen Blüten von Dactyliosolen fragilissimus, für eine biologische Grenze zwischen den Stationen 030 und 113. Die östlichen Seegebiete von den Pommerschen Bucht bis zur östlichen Gotlandsee waren im Herbst durch mehr oder weniger starke Blüten von Coscinodiscus granii geprägt. Diese Art breitete sich Ende Oktober 2001 aufgrund eines Ausstromereignisses kurzzeitig sogar bis in die zentrale Mecklenburger Bucht aus.

Die wichtigsten Phytoplanktonarten jeder Saison für jedes Seegebiet und eine komplette Artenliste des Jahres 2001, einschl. eines saisonalen Indikators, sind zusammengestellt.

Die Sedimentation organischen Materials in der Gotlandsee wurde auch im Jahre 2000 durch zwei Haupteinträge biogenen Materials im späten Frühjahr und in der Spätsommerphase geprägt. Abweichend vom langjährigen Mittel waren allerdings die vorwiegend durch Cyanobakterien ausgelösten Kohlenstoff-Flüsse im Sommer nur unwesentlich höher als die durch Diatomeen bedingte Frühjahrssedimentation. In diesem Jahr waren auch die Flüsse biogenen Silikats eindeutig auf das Frühjahr konzentriert und lagen dort weit über dem langjährigen Mittel, so daß von einem geringeren Übertrag von gelöstem Silikat im Oberflächenwasser in die Sommerphase als in den Vorjahren ausgegangen werden muß. Die Gesamtsummen lagen für die einzelnen Elemente bei 490 mmol C, 50 mmol N, 170 mmol Si und 5mmol P pro m2 und Jahr. Der Massefluß (Trockenmaterial) betrug 40 g m-2 im Jahr 2000. Obwohl das saisonale Muster vom langjährigen Mittel abwich, lag der sedimentäre Kohlenstoffeintrag damit in dem über alle beobachteten Jahre relativ konstanten Bereich von 4-6 g Kohlenstoff m-2 a-1.

Die jahreszeitliche Entwicklung der Phytoplankton-Gesamtbiomasse ist auch anhand der Chlorophyll a -Konzentrationen verfolgt worden. Die über die obersten 20 m der Wassersäule integrierten Chlorophyll a- und Phaeopigment a -Konzentrationen der einzelnen Messtermine sind zusammengestellt. Langjährige Saison- und Jahresmittelwerte der Chlorophyll a-Konzentration ab 1994 sind gezeigt. Sie sprechen für eine leichte Abnahme der Chlorophyll a-Konzentrationen in der eigentlichen Ostsee, insbesondere aufgrund der Abnahme der Sommerwerte.

Bei Nutzung aller zur Verfügung stehenden HELCOM-Daten seit 1979 ergibt sich für die Mecklenburger Bucht ein abfallender Trend und für die Arkonasee ein ansteigender Trend der Chlorophyll a -Konzentrationen. Die tendenziellen Anstiege der Chlorophyll a -Konzentrationen in der Bornholmsee und östlichen Gotlandsee sind nicht signifikant für p = 0.05.

Die seit 1989 oder 1990 in der südlichen Ostsee beobachtete Tendenz eines Verdrängens der Kieselalgen durch Dinoflagellaten in der Frühjahrsblüte kehrte sich in den Jahren 2000 und 2001 um. Die Frühjahrs-Kieselalgen haben sich in der Bornholmsee, Arkonasee und der Mecklenburger Bucht wieder stärker entwickelt, während die Dinoflagellaten zurückgegangen sind. Selbst in der östliche Gotlandsee gibt es Anzeichen für eine gewisse Kieselalgen-Entwicklung im Frühjahr 2001. Der seit 1999 insbesondere im Winter und Frühjahr dominante Ciliat Mesodinium rubrum geht seit dem Jahre 2000 wieder zurück. Die in der eigentlichen Ostsee im Herbst blütenbildende Kieselalge Coscinodiscus granii scheint ihr Vorkommen in den Sommer und speziell bei Ausstromlagen in die westliche Ostsee auszudehnen.

Im Diskussions-Kapitel werden Ergebnisse von Trend-Analysen auf Grundlage des umfangreichen HELCOM-Datensatzes von 1979 bis 1993 sowie bis 1999 aktualisierter Daten aus Originalquellen vorgestellt. Drei verschiedene Verfahren wurden angewendet. Das Zurückdrängen der Kieselalgen und die Zunahme der Dinoflagellaten während des Frühjahrs wurde bestätigt. Darüber hinaus zeigte sich in Herbst eine Zunahme von Kieselalgen an Station 046 und eine Zunahme von Dinoflagellaten an Station 271. Im Sommer entwickelten sich die Dinoflagellaten seegebietsweise unterschiedlich: Abwärtstrend in der östlichen Arkonasee, Aufwärtstrend in der Mecklenburger Bucht. Die Abnahme der sommerlichen Cyanobakterien in der Bornholmsee ergibt sich durch extrem hohe Biomassen zu Beginn der 1980er Jahre.

Im Mesozooplankton entsprachen die Abundanzverhältnisse oberhalb der Haloklinen dem langjährigen Mittel, fielen aber unterhalb der Haloklinen um 1/3 niedriger aus. Das ergaben Vergleiche aus der Arkonasee.

Von 26 Zooplankton - Taxa sind 16 ganzjährig anzutreffen, 13 davon im gesamten Untersuchungsgebiet. Im Gegensatz zu 2000 indizierte Limnocalanus macrurus in der östlichen Gotlandsee im Mai salzarmes Wasser mit nördlicher Herkunft. Für eine relative Aussüßung in oberflächennahen Schichten stehen auch die vergleichsweise hohen Abundanzen von Acartia bifilosa und Eurytemora affinis. Der aus der Nordsee stammende Strudelwurm Alaurina composita war in der westlichen Ostsee im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 % weniger nachweisbar.

Innerhalb des Mesozooplanktons kam es 2001 sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch im Vergleich zur ersten Hälfte der letzten Dekade zu geringfügigen Abundanzverschiebungen. Die Rotatorien - Abundanz verringerte sich als Folge des späten Frühlingseintritts im ersten Fall um die Hälfte, im zweiten um den Faktor von 4. Im Gegenzug traten vermehrt Appendikularien auf, die sich wie die Rotatorien von Mikroplankton ernähren. östlich von Bornholm wurden im Juli eine doppelt so hohe Abundanzen von Bosmina spp. verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr. Warmes Oberflächenwasser bildete dafür die Voraussetzung. Bemerkenswert war 2001 das starke Auftreten von Muschel- und Schneckenlarven in der westlichen Ostsee.

Insgesamt stehen die Rotatorien und die Cladoceren an oberster Stelle der Dominanzliste. Sie übersteigen die dann folgenden calanoiden Copepoden, Cyclopiden, Appendikularien und meroplanktischen Larven um ein bis zwei Größenordnungen.

Die Artenzahl des Makrozoobenthos war mit 97 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen. Damit setzt sich die seit 1991 zu beobachtende steigende Tendenz in der Diversifizierung des Makrozoobenthos im Untersuchungsgebiet fort. Die ist v.a. auf stabile Sauerstoffverhältnisse und Einstrom von salzreichem Bodenwasser zurückzuführen. Seit Jahren anhaltender Sauerstoffmangel in der Bornholmsee führte dort zu einem kompletten Artenverlust. An den anderen Stationen betrug die Anzahl der angetroffenen Taxa etwa 60-70% der "potenziell möglichen". Die Gesamt-Abundanz und die Gesamt-Biomasse nahmen im Vergleich zum Vorjahr im allgemeinen ab. Nur an Stat. 010 (Fehmarnbelt) kam es durch hohe Abundanz adulter Arctica islandica zu einem drastischen Biomasseanstieg . Einige Taxa konnten erstmals für das Gebiet nachgewiesen werden. Dazu zählten die Polychaeten Glycera alba, Mediomastus fragilis, Pseudopolydora antennata und Sphaerodorum flavum. Andere Arten wurden seit langer Zeit (teilweise Jahrzehnte) erstmals wieder im Gebiet gefunden. Hier sollen Astarte montagui (Bivalvia), die an der Darßer Schwelle gefunden wurde, und Monoporeia affinis (Amphipoda) aus der südlichen Arkonasee genannt werden.

Dr. Norbert Wasmund, Dr. Falk Pollehne, Dr. Lutz Postel, Dr. Herbert Siegel, Dr. Michael L. Zettler

Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 51 (2002)

Wasmund, Norbert; Pollehne, Falk; Postel, Lutz; Siegel, Herbert; Zettler, Michael L.:

Biologische Zustandseinschätzung der Ostsee im Jahr 2001

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