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Biologische Zustandseinschätzung der Ostsee 1999

Die Artenzusammensetzung und Biomasse bzw. Abundanz des Phyto- und Zooplanktons des Jahres 1999 von der westlichen Ostsee bis in die östliche Gotlandsee werden im Zusammenhang mit Satelliten- sowie schiffsgebundenen physiko-chemischen Daten vorgestellt und diskutiert. Dabei werden Vergleiche mit dem Vorjahr bzw. der inzwischen 21-jährigen Datenreihe des Umweltüberwachungsprogramms im Rahmen des HELCOM gezogen, um eventuelle Trends abzuleiten. Zur Vervollständigung der saisonalen Angaben der Phytoplanktondynamik werden Daten von Sinkstoff-Fallen des Jahres 1998 herangezogen.

Die Frühjahrsblüte des Phytoplanktons begann im Jahre 1999 in fast allen untersuchten Seegebieten, von der Mecklenburger Bucht bis in die östliche Gotlandsee fast gleichzeitig, und zwar in der zweiten Märzhälfte. Die Entwicklung in der östlichen Gotlandsee war gegenüber der in der Bornholmsee und Arkonasee lediglich um etwa 1 Woche verzögert. Eine solche frühe Phytoplanktonentwicklung in der östliche Gotlandsee ist auf unseren Fahrten bisher noch nicht beobachtet worden. Andererseits scheint die Entwicklung in flachen Küstengewässern (Lübecker Bucht, Pommersche Bucht) schon vor der in den offenen Gewässern zu beginnen, also wahrscheinlich in der ersten Märzhälfte.

Wie bereits in den Vorjahren, begann die Frühjahrsblüte in der Mecklenburger Bucht mit Kieselalgen. In der Arkonasee mischten sich in die frühe Phase der Frühjahrsblüte erstmalig aber hohe Anteile an Dinoflagellaten ein. In der Bornholmsee und der östlichen Gotlandsee bestand die Frühjahrsblüte von Anfang an aus Dinoflagellaten. In allen Seegebieten wurde ein beträchtlicher, oftmals sogar der größte Anteil der Frühjahrsblüte von dem photoautotrophen Ciliaten Myrionecta rubra ausgemacht. Er trat erstmals in dieser enormen Biomasse auf. Sein Anteil wuchs sogar zum Mai hin noch kräftig an.

Im August 1999 waren der Dinoflagellat Ceratium tripos und die Kieselalge Dactyliosolen fragilissimus die wichtigsten Arten in der Mecklenburger Bucht, in der Arkonasee immer noch Myrionecta rubra, in der Bornholmsee neben Myrionecta rubra die sonst erst im Herbst blütenbildende Kieselalge Coscinodiscus granii und in der Gotlandsee neben Myrionecta rubra das üblicherweise im Sommer blütenbildende Cyanobakterium Nodularia spumigena.

Aus Satellitenbildern war zu erkennen, dass die Entwicklung von Cyanobakterienblüten bereits Mitte Juni nach einer starken Erwärmung in der nördlichen eigentlichen Ostsee sowie dem Eingang zum Finnischen Meerbusen begann, sich dann in die westliche Gotlandsee und schließlich in die Bornholmsee und die östliche Gotlandsee fortpflanzte. Durch windiges Wetter im August wurden die Oberflächenblüten wieder untergemischt.

Im Oktober/November 1999 wurde die Herbstblüte in der Mecklenburger Bucht nicht mehr von Ceratium tripos, sondern von Gymnodinium sp. und erstmals insbesondere von der potentiell toxischen Kieselalge Pseudo-nitzschia pungens beherrscht.

Im Gegensatz zum Jahre 1997, in dem in der östlichen Gotlandsee nur geringe Sedimentationsereignisse im Herbst auftraten, trat 1998 wieder eine typische Zunahme des sedimentierten Materials ab September mit den höchsten Werten für den vertikalen Partikelfluß im November/Dezember ein. Der biogene Anteil daran läßt sich hauptsächlich auf fädige und koloniebildende Cyanobakterien im September und eine späte Diatomeensedimentation im November zurückführen. Durch einen Ausfall der Geräte in der Frühjahrsperiode kann dieser für die Sedimentation biogenen Materials wichtige Zeitraum nicht beurteilt werden.

Der Langzeittrend einer Zunahme der Dinoflagellaten auf Kosten der Kieselalgen in den Frühjahrsblüten der eigentlichen Ostsee scheint sich fortzusetzen, denn im Jahre 1999 traten erstmals auch in der Arkonasee schon sehr frühe Dinoflagellatenblüten auf, die sogar höhere Biomassen zeigten als die sonst üblichen Kieselalgen. Die sommerliche Kieselalgenblüte (Dactyliosolen fragilissimus) ist in der westlichen Ostsee aber nach wie vor vorhanden. Darüber hinaus traten im Jahre 1999 hohe Konzentrationen der sonst erst im Herbst blütenbildenden Kieselalge Coscinodiscus granii in der Bornholmsee auf. Ob sie dort im Herbst noch einmal zur Entwicklung gekommen ist, konnte wegen der ausgefallenen Herbstfahrt nicht geprüft werden. Mögliche Artenverschiebungen zu dem photoautotrophen Ciliaten Myrionecta rubra sowie zu neuen Arten in der Herbstblüte in der Mecklenburger Bucht (Gymnodinium sp., Pseudo-nitzschia pungens) müssen in den nächsten Jahren gewissenhaft verfolgt werden. Ebenso muß sich in den kommenden Jahren erweisen, ob der bislang ansteigende Chlorophyll-Trend in der Bornholmsee nun endgültig gebrochen ist.

Die Abundanz der Copepoden hat auch 1999 im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen, wobei diese Abnahme im August besonders gravierend war. Demgegenüber nahm die Abundanz der Cladoceren insbesondere im August deutlich zu. Die Rotatorien hatten ihre maximale Populationsentwicklung im Mai und zeigten im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang.

Dr. Norbert Wasmund, Dr. Jürgen Alheit, Dr. Falk Pollehne, Dr. Herbert Siegel

Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 43 (2000)

Wasmund, Norbert; Alheit, Jürgen; Pollehne, Falk; Siegel, Herbert:
Der biologische Zustand der Ostsee im Jahr 1999 auf der Basis von Phytoplankton- und Zooplanktonuntersuchungen

Jährliche biologische Zustandseinschätzungen

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