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Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 1970

Die hydrographisch-chemischen Veränderungen des Jahres 1970 lassen erkennen, daß auch zu Beginn dieses Jahres größere Mengen salzreichen Wassers in die Ostsee eingeströmt sein müssen. Wie der geringe Salzgehalt zeigt, hatten diese Wassermassen in der zweiten Märzhälfte bereits das Arkonabecken passiert. Im Tiefenwasser des Bornholmbeckens hatten sie zu einer Erhöhung des Salzgehalts und zu Inversionen in der Temperatur- und Sauerstoffverteilung geführt.

Dier erneute Verbesserung des Lebensbedingungen in diesem Becken war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits im November war der Sauerstoffgehalt unterhalb der thermosalinen Sprungschicht auf Werte unter 0,5 ml/l abgesunken und hatte damit die in fischereilicher Hinsicht kritische Grenzkonzentration von 1 ml/l - nach TIEWS sogar 1,5 bis 2 ml/l - weit unterschritten. Die nachhaltigen Auswirkungen auf das östliche Gotlandbecken sowie auf die Verhältnisse im Gdansker Tief lassen darauf schließen, daß der größte Teil der frisch eingströmten Wassermassen das Bornholmbecken infolge seines geringen Salzgehalts in mittleren Wassertiefen passiert hat.

Mit der Verschlechterung der Sauerstoffverhältnisse im Bornholmbecken war eine Aussüßung der grundnahen Wasserschicht verbunden, die im Extremfall 1,6 ‰ betrug. Ebenso wie im Vorjahr wurden auch auf der letzten Meßfahrt des Jahres 1970 Warmwasserintrusionen im Bornholmbecken beobachtet.

Im Zusammenhang mit der komplizierten Einstromsituation des Jahres 1970 sei im Gdansker Becken besonders auf die suaerstoffreiche Zwischenschicht im Bereich unteren Bereich der halinen Sprungschicht hingewiesen, die im Mai beobachtet wurde. Offensichtlich hatte der Salzgehalt nicht ausgereicht, um das Tiefenwasser zu verdrängen. Die sauerstoffreiche Zwischenschicht war mit einem Temperaturmaximum und einem Phosphatminimum korreliert. Während in diese Zwischenschicht frisches Wasser eingeströmt ist, muß in die grundnahe Wasserschicht bereits zu Beginn des Jahres 1970 "altes" Wasser mit relativ hohem Salz- und Phosphatgehalt sowie niedriger Sauerstoffkonzentration eingeflossen sein. Ende Juli wurden dagegen am Grund des Gdansker Beckens salzärmere, viel kältere Wassermassen mit höherem Sauerstoffgehalt und niedrigerer Phosphatkonzentration nachgewiesen, die nur durch erneute Advektion hierher gelangt sein können.

Die hydrographisch-chemische Situation im östlichen Gotlandbecken war dadurch gekennzeichnet, daß auch zu Beginn des Jahres 1970 der Einstrom relativ sauerstoffreichen und phosphatarmen Wassers fortdauerte. Wie die Unterschiede in der Temperatur und im Salzgehalt zeigen, handelte es sich um Wassermassen unterschiedlicher Herkunft. So war zu Jahresbeginn zunächst die Advektion verhältnismäßig warmen, salzreichen Wassers erfolgt, während besonders im Mai, als der Einstrom seinen Höhepunkt erreicht hatte, erheblich kälteres Wasser am Südhang beobachtet werden konnte. Im letzten Fall handelte es sich wahrscheinlich um Wassermassen, die durch den neuerlichen Einstrom salzreichen Wassers in die Ostsee zu Beginn des Jahres 1970 in Bewegung geraten waren.

Durch den ständigen Zustrom sauerstoffreicher Wassermassen verbesserten sich die Sauerstoffverhältnisse im Gotlandtief zunächst erheblich und erreichten im August verbreitet Werte zwischen 1 und 1,5 ml/l. Gleichzeitig verringerte sich der Phosphatgehalt.

Im weiteren Verlauf des Jahres fand der Einstrom ins östliche Gotlandbecken sein Ende. Bei den Untersuchungen im November war am Südhang dieses Beckens kein frisches Wasser mehr nachweisbar. Dadurch hatten sich das intermediäre Sauerstoffminimum sowie die intermediären Phosphat- und Temperaturmaxima stark verringert. Da sich auch in den anderen Becken die Sauerstoffverhältnisse verschlechterten, ist dieser Zeitpunkt als Beginn einer neuer Stagnationsperiode nicht nur im östlichen Gotlandbecken, sondern in der gesamten Ostsee anzusehen.

Die Erneuerung des Tiefenwassers im nördlichen Gotlandbecken war im März 1970 bereits abgeschlossen. Gegenüber Dezember 1969 betrug der Anstieg des Salzgehalts rund 0,4 ‰ und nahm im Jahresverlauf um weitere 0,2 ‰ zu. Gleichzeitig konnte bei der Wassertemperatur ein geringer Anstieg beobachtet werden, während der Schwefelwasserstoff verdrängt und durch geringe Sauerstoffmengen ersetzt wurde. Außerdem nahm der Phosphatgehalt vorübergehend um rund 0,5 µg-at./l ab, um am Jahresende erneut anzusteigen.

Bei den Untersuchungen im Mai 1970 zeichnen sich im Gebiet des Finnischen Meerbusens besonders auffällig die Nachteile der nichtsynoptischen Probenentnahme ab. Dort wurden die Stationen 22 A bis 29 A alternierend in 6- bis 8tägige Abstand bearbeitet. Innerhalb dieses Zeitraums erfolgte der Zustrom salzreicheren Wassers mit niedrigem Sauerstoffgehalt sowie mit höherer Temperatur und Phosphatkonzentration. Hieraus resultierten alternierende Schwankungen in der Verteilung dieser Komponenten vor allem zwischen den Stationen 23 B und 26 B.

Wegen Eisbedeckung konnten im Landsorttief erst im Mai 1970 oezanologische Untersuchungen durchgeführt werden. Dabei wurde festgestellt, daß inzwischen auch auf dieser Station die Erneuerung des Tiefenwassers eingetreten und das reduzierende Milieu in ein oxydierendes umgeschlagen war. Ähnlich wie im nördlichen Gotlandbecken erreichte die Sauerstoffkonzentration jedoch nur sehr geringe Werte. Außerdem waren die Temperatur und der Salzgehalt geringfügig angestiegen, während der Phosphatgehalt abgenommen hatte.

Im westlichen Gotlandbecken wurde im März 1970 ein Rückgang der schwefelwasserstoffhaltigen Tiefenschicht gegenüber Messungen im Dezember 1969 festgestellt. Zusammen damit hatte auch der Phosphatgehalt abgenommen. Im weiteren Laufe des Jahres 1970 erfolgte der Einstrom salzreichen Wassers und führte in den grundnahen Schichten zu einem Anstieg des Salzgehalts um rund 0,4 ‰. Da der Wasseraustausch im zentralen Teil der Ostsee gegen den Uhrzeigersinn verläuft, gelangte nur noch stark ausgesüßtes, an Sauerstoff verarmtes Tiefenwasser ins westliche Gotlandbecken, das zu keiner nachhaltigen Besserung der Sauerstoffverhältnisse führte. So waren im Mai nur noch in den grundnahen Wasserschichten der Station 32 B geringe Sauerstoffmengen vorhanden, die jedoch von einer schwefelwasserstoffhaltigen Zwischenschicht überlagert wurden. Trotz der Wassererneuerung weitete sich deshalb die schwefelwasserstoffhaltige, phosphatreiche Tiefenschicht ebenso schnell aus wie im Vorjahr.

Auch 1970 wurden in der Oberflächenschicht der Ostsee die bekannten, jahreszeitlich bedingten Veränderungen in der Wassertemperatur, dem Sauerstoffgehalt und der Phosphatkonzentration beobachtet. Im März 1970 lag jedoch der Phoshatgehalt erheblich höher als in dem entsprechenden Monat des Vorjahres. Höhere Werte wurden auch im Mai noch gemessen. Dieses zusätzliche Nährstoffangebot in der produktiven Schicht, das sich bereits im Dezember 1969 abzeichnete, war offensichtlich immer noch eine Folge der Wasserumschichtung. Die Herbstwerte scheinen dagegen niedriger zu sein als 1969. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß diese Werte infolge unterschiedlicher Untersuchungstermine nicht streng vergleichbar sind.

Jährliche Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzungen

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