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Mikroplastik in marinen Habitaten

Kontakt: Dr. Sonja Oberbeckmann / Alexander Tagg

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Künstlich hergestellte Antifouling-Farbpartikel zur Verwendung in Spiking-Studien. Farbpartikel können durch Auftragen von Farbschichten auf einen Labor-Wachsfilm und anschließendes Dehnen nach dem Trocknen hergestellt werden (©Tagg/IOW).

Hintergrund
Ein beträchtlicher Teil der Kunststoffabfälle landet in den Weltmeeren, z. B. schätzungsweise 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen im Jahr 2010 (Jambeck et al., 2015). Kunststoffe wurden überall im Meer nachgewiesen, mit besonders hohen Akkumulationssraten in den Ozeanwirbeln (Cozar et al., 2014). Unsere Forschung konzentriert sich auf Mikroplastik (Partikel <5 mm). Als primäres Mikroplastik wird Mikroplastik bezeichnet, das direkt als solches hergestellt wird und in Konsumgütern oder als unverarbeitetes Granulat vorkommt. Sekundäres Mikroplastik entsteht erst in der Umwelt durch die Fragmentierung größerer Kunststoffteile und umfasst z. B. Kleidungsfasern und Farbpartikel.

Es ist bekannt, dass Mikroplastik durch Kläranlagen und insbesondere durch Regenwasser in die Meere gelangt, wenngleich auch andere Quellen, wie z. B. Industrieabwässer, eine Rolle spielen. Die Folgen dieser Verschmutzung für das marine Nahrungsnetz und die Rolle der mikrobiellen Gemeinschaften, die Mikroplastik besiedeln, sind jedoch noch nicht bekannt. Erste Studien zu diesem Thema deuten darauf hin, dass Mikroplastik im Meer von verschiedenen prokaryotischen und eukaryotischen Mikroorganismen besiedelt wird (Zettler et al., 2013, Oberbeckmann et al., 2014). In diesem Zusammenhang verdienen die Bakterien der Gattung Vibrio besondere Aufmerksamkeit. Diese Gruppe von Mikroorganismen beherbergt mehrere pathogene Arten und ist für Assoziation mit höheren Organismen und die Eigenschaft Biofilme zu bilden bekannt. Vibrio-Bakterien wurden bereits auf Kunststoffen im Meerwasser und an Stränden gefunden (Zettler et al., 2013, Quilliam et al., 2014).

Probennahme
Mikroplastik Probenahme an der Warnow (oben) und im Oberfächenwasser der Ostsee (unten)

Mikroplastikforschung am IOW
Seit 2014 ist die Erforschung von Mikroplastik in marinen Lebensräumen zu einem besonderen Schwerpunkt unserer Forschung geworden. Unsere Projekte decken ein breites Spektrum an Umweltbedingungen ab, von landwirtschaftlichen Flächen über Küstengebiete bis hin zum Meer und von der Wasseroberfläche über die Wassersäule bis hin zum Sediment.

Mit unserer Forschung wollen wir i) die Häufigkeit, Quellen und Senken von Mikroplastik im marinen System bestimmen, ii) die Diversität und Struktur der mit Mikroplastik assoziierten mikrobiellen Gemeinschaften entschlüsseln, iii) das Potenzial von Mikroplastik als Vektor für pathogene Bakterien erforschen und iv) bestimmen, wie sich Mikroplastik-Farbpartikel auf mikrobiell vermittelte biogeochemische Kreisläufe in Sedimenten auswirken können, und auf der Grundlage von 16S-Daten Verschmutzungsgrade modellieren.

Die Mikroplastik-Forschung in der Arbeitsgruppe Umweltmikrobiologie begann mit dem Leibniz-geförderten Projekt MikrOMIK. Dieses Projekt untersuchte Biofilmgemeinschaften auf Mikroplastik in der Ostsee, mit zusätzlicher Beprobung durch die MS Merian in der Sargassosee. Im Projekt PlasticSchool wurden die Ergebnisse in verständliche und pädagogisch wertvolle Unterrichtsmodule umgesetzt. Die daraus resultierenden Unterrichtseinheiten können von Lehrern selbstständig durchgeführt werden und sind für alle Klassenstufen verfügbar.

Extraktion
Wasserprobe auf einem 10-μm-Kanisterfilter, entnommen mit dem "Rocket"-Sampler. Die Probe wird vom Filter entfernt (und teilweise aufgeschlossen), indem der Filter in 10 %igem Wasserstoffperoxid getränkt wird (©Tagg/IOW)

Seit 2017 sind weitere Mikroplastik-Projekte abgeschlossen worden, die sich vor allem auf die Quellen und Senken von Mikroplastik in der Ostsee und ihrem Einzugsgebiet konzentrierten. Im Projekt MicroCatch_Balt wurde der Eintrag von Mikroplastik aus dem Flusseinzugsgebiet der Warnow in die Ostsee untersucht. BONUS MICROPOLL untersuchte das Vorkommen von Mikroplastik in der gesamten Ostsee, einschließlich der damit verbundenen Schadstoffe und mikrobiellen Gemeinschaften. Im Rahmen dieser Projekte konzentrierte sich die IOW-Forschung insbesondere auf a) die Häufigkeit und Zusammensetzung von Mikroplastik in Wasser, Sedimenten und Stränden der Ostsee, b) die Verweildauer und den Transport von Mikroplastik im Warnow-Ästuar und c) die Vektorfunktion von Mikroplastik für Mikroorganismen. Auch das Vorkommen von Mikroplastik in landwirtschaftlich genutzten Böden wurde eingehend untersucht, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Eintrag durch die Ausbringung von Klärschlamm lag. Im Projekt PLASTRAT untersuchte das IOW den Gehalt und die Dynamik von Mikroplastik in Kläranlagen, einschließlich Klärschlamm. Die Ergebnisse werden dazu beitragen zuverlässige Informationen über landseitigen Kunststoffquellen zu liefern.

Um die große Anzahl von Proben aus den Mikroplastik-Projekten unter Verwendung modernster halbautomatischer spektroskopischer Methoden bearbeiten zu können, haben die Mikroplastik-Forscher des IOW Methoden zur Probenahme und Verarbeitung der Proben entwickelt und verbessert. Große Anstrengungen wurden bei der Einführung von Qualitätskontrollverfahren unternommen, um die Genauigkeit und Robustheit der Ergebnisse zu verbessern, indem Partikelverluste und Kontaminationen begrenzt werden, was für eine zuverlässige Probenahme von Mikroplastik <50µm unerlässlich ist.

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Dichte-Auftrennung zur Separierung der Mikroplastikprobe von schwereren Silikatpartikeln. Strandsandprobe in einer Polywolframatlösung von 1,8 g ml-1 (©Tagg/IOW)
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Mikroplastikfasern unter dem Mikroskop (©Klaeger/IOW)
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Glitzerpartikel. Glitzer besteht in der Regel aus einer reflektierenden Aluminiumfolie, die zwischen zwei PET-Schichten eingebettet ist (©Tagg/IOW)