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Kiel 276 - Azoren Observatorium

 

Bei 33° Nord und 22° West liegt Mitten m Nordost-Atlantik – etwa auf halber Strecke zwischen den Azoren und der Insel Madeira – befindet sich Kiel276, das weltweit einzigartige Azoren-Observatorium. Kiel276 besteht aus einer 5 km langen Leine, die mit einem 1.3 Tonnen schweren Gewicht in 5.200 Meter Tiefe am Meeresboden verankert ist. Eine Auftriebsboje 200 m unter der Wasseroberfläche hält die Leine und die daran befestigten Messinstrumente aufrecht in der Wassersäule. Seit nunmehr 33 Jahren liefert Kiel276 Messdaten zu Wassertemperatur und Strömung in unterschiedlichen Tiefen.

Das Azoren-Observatorium wurde erstmals im Jahr 1980 von Professor Gerold Siedler installiert, der damals am Institut für Meereskunde in Kiel – heute Bestandteil des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel – arbeitete. Bis in die neunziger Jahre hinein war der Betrieb von Kiel276 in große internationale Projekte wie zum Beispiel in das World Ocean Circulation Experiment (WOCE) oder die Joint Global Ocean Flux Study (JGOFS) eingebunden. In dieser Zeit konzentrierten sich die Auswertungsarbeiten vor allem auf die jahreszeitlichen und mehrjährigen Schwankungen von Temperaturen und Strömungen sowie auf den Nachweis von ursprünglich aus dem Mittelmeer stammenden Wasserwirbeln.

Im Jahr 1993 wurde die Messkette um mehrere Sinkstofffallen erweitert, mithilfe derer erstmals der marine Kohlenstoffkreislauf in dieser Region untersucht werden konnte. Seit 2000 wird das Azoren-Observatorium im Rahmen verschiedener DFG Projekte federführend vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde in meiner Arbeitsgruppe betrieben. Mithilfe des Azoren-Observatoriums können wir hervorragend den Einfluss verschiedenster Phänomene untersuchen, die von großer Bedeutung für das globale Klima sind. Dazu gehören zum Beispiel die Lage der Azorenfront oder der Eintrag von Saharastaub. So konnten wir unter anderem nachweisen, dass die Verlagerung der Azorenfront, eine Wassermassengrenze die regelmäßig über die Position der Langzeitstation wandert, zu deutlichen zwischenjährlichen Unterschieden im vertikalen Partikelfluss führt. Die Verlagerung der Front bringt unterschiedliche Wasserkörper in die Region, woraus Unterschiede in der Nährstoffversorgung und damit der biologischen Produktion resultieren, was sich schließlich im veränderten Partikelexport in die Tiefsee widerspiegelt. Auch der Einfluss des Saharastaubes und seine düngende Wirkung auf das Algenwachstum wurden im Rahmen eines DFG-Projektes erfolgreich untersucht.

Im Rhythmus von zwei Jahren brechen wir mit einem Forschungsschiff zur Station auf, um die Messgeräte von Kiel276 zu warten und die Daten und Proben zu bergen. Im Mai dieses Jahres war es wieder so weit: Von Bord des deutschen Forschungsschiffes Poseidon aus schickten wir akustische Signale in den Atlantik, die in 5.200 Meter Tiefe den automatischen Entkopplungsmechanismus aktivierten und die Meßkette vom Gewicht lösten. Durch die neu geborgenen Daten liegen uns nun je 33 Jahre lange Zeitreihen der Temperatur und der Strömungen in unterschiedlichen Tiefen zwischen Oberfläche und 5.200 Meter vor, sowie 20 Jahre lange Partikelflusszeitreihen in 2000 m und 3000 m Tiefe. Diese Daten über mehr als drei Dekaden machen erstmalig anhand von in-situ-Messungen Untersuchungen und Aussagen über die langzeitliche Variabilität in dieser Region möglich.

Die Verlagerung der Azorenfront und die düngende Wirkung des Staubs aus der Sahara gerade in dieser Region gelten als wichtige Schlüsselfaktoren für das Wetter und das Klima in Europa und anderen Regionen der Welt. Das Azoren-Observatorium stellt deshalb einen wichtigen Hot-Spot für die Erforschung der globalen Erwärmung und seiner Folgen für Meer und Klima dar. Deshalb wird sich das IOW auch in den kommenden Jahren um Betrieb und Wartung von Kiel276 kümmern. Fronten sind ein weit verbreitetes Phänomen im Weltmeer, sodass die Erkenntnisse aus der Azorenfront mit anderen Fronten verglichen werden könne, z.B. in der Ostsee. Gleichzeitig bittet dieser einzigartige Datensatz die Möglichkeit Vergleiche zwischen den Prozessen auf langen Zeitskalen zwischen den Ökosystemen Ostsee und Atlantik durchzuführen.